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Kohäsionsmittel

 
Wie vorher gezeigt: Mit Kohäsionsmitteln an der Textoberfläche kann der inhaltliche Zusammenhang von Aussagen in einem Text unterstützt werden. Kohäsionsmittel fördern demnach die Kohärenz. Es gibt eine grosse Anzahl von Kohäsionsmitteln und verschiedene Möglichkeiten, diese zu gliedern. Die wichtigsten Kohäsionsmittel sind die folgenden (vgl. Nussbaumer, 1991, S. 106-116 und Blüml, 1992):
  1. Verweismittel, Zeigemittel
    Etwas geht durch den Text durch und kommt wieder, ist also rekurrent. Dieses Wiedererscheinen hat ein Verweisen, Zeigen zur Folge. Es kann auf unterschiedliche Art etwas wiederaufgenommen werden:
    1. Wiederaufnahme von Wörtern = Wortwiederholung, wobei die Wortwiederholungen sich auf dasselbe Referenzobjekt beziehen (= Lexemrekurrenz mit Koreferenz):
      Ich kannte einen alten Mann. Dieser Mann hatte ... Der Mann litt an ... -> Es ist immer von demselben Mann die Rede => dasselbe Referenzobjekt ist vorhanden.
    2. Wiederaufnahme von Wörtern oder Elementen eines Wortverbandes, wobei die Wiederaufnahmen sich nicht auf dasselbe Referenzobjekt beziehen (= Rekurrenz des Lexems oder Lexemverbandes mit partieller Koreferenz):
      Meine Mutter hats mit mir nicht leicht. Allgemein ist die Mutter-Tochter-Beziehung in der Pubertät etwas Schwieriges. In unserer Verwandtschaft mütterlicherseits sieht es überall gleich aus...
      -> Wiederholung innerhalb eines Wortverbandes, wobei nicht immer auf dasselbe Referenzobjekt Bezug genommen wird.
      Ein Wortverband (= Lexemverband) ist eine Wortfamilie. In ihr sind die Wörter versammelt, die sich um denselben Wortstamm gruppieren und einen gemeinsamen inhaltlichen Baustein haben (= ein gemeinsames lexikalisches Morphem haben).
      Meine Mutter ist jünger als deine Mutter. Heutzutage sind Mütter in der Regel älter als früher. -> Zwar wird das gleiche Wortmaterial wiederholt. Aber es ist nicht mehr von der gleichen Mutter die Rede, das heisst, das Referenzobjekt wechselt.
    3. Wiederholung desselben Referenzobjekts ohne Wiederholung des Wortmaterials (= Koreferenz ohne Rekurrenz von identischen Ausdrücken)
      Hier handelt es sich um Ersatzformen. Man unterscheidet verschiedene Arten von Ersatzformen:
      - Proform: Ersatz eines Wortes oder einer Wortgruppe durch ein weitgehend "inhaltsleeres" Wort.
      - Substitution: Ersatz eines Wortes oder einer Wortgruppe durch ein anderes Wort oder eine andere Wortgruppe mit identischer oder ähnlicher Bedeutung.
      - Paraphrase: Umschreibung eines Wortes oder einer Wortgruppe; man gibt weitgehend denselben Inhalt mit anderen Wörtern wieder. Zum Teil werden die Substitution und die Paraphrase gleichgesetzt.
      1. Proformen (rückverweisend = anaphorisch oder vorverweisend = kataphorisch)
        Z. B. Pronomen: Das Kind kommt nach Hause, es stürzt zuerst in die Küche.
        Z. B. Pro-Verben: Ich lese jeden Abend in einem Buch. Das mache ich auch.
        Z. B. Verschmelzungen von Pronomen mit Präpositionen (= Präpositional-/Pronominal- und Konjunktionaladverbien): Meine Freundin regt sich über das Wahlergegbnis auf. Darüber kann ich mich nicht ärgern.
        Z. B. Pro-Adverbien: Gestern war ich in der Stadt. Dort traf ich einen Kollegen.
        Z. B. expliziter Bezug auf Textteile: Wie ich weiter oben schon gezeigt habe ...
        Achtung: Das Zeigen auf ein anderes Element ist in der Regel auf einen Punkt im Text gerichtet (= Textdeixis). So verweist ein bestimmter Artikel auf ein bereits durch einen unbestimmten Artikel eingeführtes Bezugselement (Ein Mann steht vor der Tür. Der Mann fragt nach einem Nachbarn.). Proformen können aber auch aus dem Text hinausweisen ( = Situationsdeixis: Wir treffen uns morgen hier.) oder auf Weltwissen Bezug nehmen, welches für das Textverständnis vorausgesetzt wird (= Vorwissensdeixis: Der Papst besucht nächste Woche Deutschland. Der bestimmte Artikel zeigt, dass das damit Bezeichnete den Leser/-innen schon bekannt sein müsste, also nicht noch eingeführt werden muss.). Situations-deiktische Proformen gibt es jedoch in geschriebenen Texten nicht, dafür muss man sich in einer Gesprächssituation befinden.
      2. Nicht-proformige Ersetzung
        Hierbei wird inhaltlich bedeutsames Wortmaterial durch anderes inhaltich bedeutsames Wortmaterial ersetzt (Substitution = Ersetzung):
        Z. B. Oberbegriff - Unterbegriff: Du hast doch eine Katze. Wie gehst du mit dem Tier um, wenn es nicht gehorcht?
        Z. B. Ersetzung auf Weltwissen abgestützt: Prinz William und Cahterine, Herzogin von Cambridge besuchen die Salomonen-Inseln. Das königliche Paar nahm an verschiedenen Feierlichkeiten teil.
        Z. B. Umschreibung/Paraphrase: Deine Aussage ist dürftig. Das heisst: Sie enthält keine neuen Informationen.
    4. Nachbarschaft miteinander verknüpfter Bedeutungsfelder (= Kontiguität)
      Wiederholt wird Thematisches ohne Wiederholung von Wortmaterial oder Referenzobjeken. Es geht hier um begriffliche Nähe.
      Z.B. Der Trainer musste den Stammtorhüter auswechseln. Im Trainingslager prallte dieser mit einem Stürmer zusammen und verletzte sich.
      Hier lässt sich zu Recht fragen, ob das wirklich noch etwas mit sprachlich gestifteter Kohäsion zu tun hat.
    5. Wiederholung grammatischer Elemente (= Rekurrenz von Morphosyntaktischem)
      Z. B. Parallelismus im Satzbau, d. h. die Wiederkehr syntaktischer Muster. Eine Negativform davon ist die Ellipse (= Auslassung): Wir gehen im Sommer nach Paris. Wir auch. Im zweiten Satz wird ausgelassen "gehen im Sommer (auch) nach Paris". Dies hat eine hohe kohäsive Wirkung.
      Z. B. Tempus: Die grammatischen Tempora, d. h. die Zeitverhältnisse, erfüllen wichtige verbindende Aufgaben. Man muss aber vorsichtig sein betreffend der Kohäsionswirkung von Tempus. Ein durchgehend gleiches Tempus in einem Text kann ein Indiz sein für die strukturelle Ganzheit des Textes, jedoch sind Tempora kein verlässliches Indiz dafür und wirken deshalb viel weniger zusammenhangstiftend als andere Verweismittel.
      Z. B. Modus: Die durchgehende Verwendung des Modus Konjunktiv kann die Zusammengehörigkeit von Sätzen zu einem Ganzen stärken: Er sagte, er habe sich bei seiner Handlung nicht viel überlegt. Er habe sich aus einer Stimmung heraus dazu hinreissen lassen, die Wand zu versprayen. Es sei das erste Mal gewesen, dass er sich an fremdem Eigentum vergangen habe.
      Z. B. Aktiv und Passiv: Ebenso wie beim Modus kann die durchgehende Verwendung des Passivs
      die Zusammengehörigkeit von Sätzen zu einem Ganzen stärken.
    6. Reim, Metrum und Ähnliches
      Verbindend wirken in literarischen Texten auch Reim und Metrum.

  2. Verknüpfungsmittel
    Verknüpfungsmittel verknüpfen zwei oder mehr Textteile miteinander. Zum Teil haben diese Verknüpfungsmittel auch Verweischarakter. Dann kann man sie auch zu den Verweismitteln (Punkt 1) zählen. Die wichtigsten Verknüpfungsmittel sind:
    1. Unterordnende Konjunktionen (= Subjunktionen)
      Die Subjunktionen verknüpfen Teilsätze zu komplexen Sätzen und leiten einen Nebensatz ein. Typische Vertreter sind weil, dass, obwohl, ...
      Z.B. Der Trainer musste den Stammtorhüter auswechseln, weil dieser mit einem Stürmer zusammenprallte und sich verletzte.
    2. Nebenordnende Konjunktionen
      Nebenordnende Konjunktionen verbinden Textelemente auf derselben hierarchischen Ebene. Typische Vertreter sind und, oder, denn, aber, ...
      Z. B. Thea hat nicht an einen Erfolg geglaubt, aber es kam ganz anders.
    3. Konjunktional-, Pronominal- und andere Typen von Adverbien
      Diese Adverbien haben im Unterschied zu dem Punkt 2.2 Satzgliedcharakter (vgl. >>). Sie können auch unter Punkt 1.3.1 "Proformen" aufgeführt werden, wenn sie klaren Verweischarakter haben. Typische Vertreter sind also, ausserdem, deshalb, darüber, damit, allerdings,...
      Z. B. Du machst die Hausaufgaben. Ausserdem reinigst du dein Zimmer.

  3. Textstrukturierende Mittel
    Es gibt Kohäsionsmittel, die der Textstrukturierung dienen. Beispiele sind: erstens ..., zweitens ...; zum einen ..., zum anderen ...; einerseits ..., andererseits ...; 1. ..., 2. ..., 3. ...; a) ..., b) ...
    Neben diesen Kohäsionsmitteln zur Textstrukturierung gibt es natürlich noch andere (= grafische) Mittel, um einen Text zu strukturieren, so die Absatzgliederung, Einrückung von Textteilen, Spiegelstriche, ...

 


Wie schon oben gezeigt: Die Kohäsion bezieht sich auf die Oberflächenstruktur des Textes, also die äussere Gestalt, die Kohärenz dagegen auf den inhaltlichen Zusammenhang. Es gibt Mittel, Zusammenhang zwischen einzelnen Textteilen zu stiften, die sich nicht mehr eindeutig den Kohäsionsmitteln zuordnen lassen. Generell ist es so, dass natürlich mit den Kohäsionsmitteln immer auch ein Zusammenhang auf der inhaltichen Ebene unterstützt wird. Das ist ein Grund dafür, dass zum Teil Kohärenz als Oberbegriff auch für die Kohäsion verwendet wird. Nachfolgend sind einige Phänomene aufgeführt, die nicht mehr eindeutig zu den Kohäsionsmitteln, sondern eher zu den "Kohärenzmitteln" zu zählen sind, weil sie nicht mehr im gleichen Mass an der sprachlichen Oberfläche festmachbar sind. Zum Teil handelt es sich um Phänomene, die in der vorstehenden Aufzählung von Kohäsionsmitteln vorhanden sind. Vgl. das bereits oben aufgeführte Beispiel:
Der Trainer musste den Stammtorhüter auswechseln. Im Trainingslager prallte dieser mit einem Stürmer zusammen und verletzte sich.
Hier lässt sich zu Recht fragen, ob das wirklich noch etwas mit sprachlich gestifteter Kohäsion zu tun hat. Es macht ebenso Sinn, den Zusammenhang mit begrifflicher Nähe zu erklären, mit der Nachbarschaft miteinander verknüpfter Bedeutungsfelder (= Kontiguität): Wiederholt wird Thematisches ohne Wiederholung von Wortmaterial oder Referenzobjeken. Wir bewegen uns in solchen Fällen in einem Grenzbereich zwischen Kohäsion und Kohärenz.

Zu diesem Grenzbereich gehören auch "Themawörter". Das sind Leitwörter, die eine Information wieder aufnehmen und fortführen und die es den Leser/-innen ermöglichen, ein Thema durch einen Text zu verfolgen. Solange es sich bei diesen Themawörtern um Wiederholungen handelt, bewegen wir uns klar im Bereich der Kohäsion. Je mehr wir uns aber im Bereich von Bedeutungsfeldern (= Kontiguität) bewegen, umso mehr befinden wir uns im Bereich der "Kohärenzmittel".
Des Weiteren lassen sich auch Überlegungen zur Themenentwicklung resp. Themenentfaltung in diesem Grenzbereich ansiedeln. Ein Thema zieht sich durch einen Text hindurch, enthält Unterthemen. Es kann beschreibend entfaltet oder argumentierend dargestellt werden oder aber erklärend. Auf einen eingeschränkteren Raum bezieht sich in dem Zusammenhang die Fokus-Hintergrund-Gliederung oder Thema-Rhema-Progression. Damit hängt die Beobachtung zusammen, dass inhaltlich Wichtiges und Neues eher gegen Ende eines Satzes erscheinen, bekannte Informationen eher zu Beginn eines Satzes. Die den Leser/-innen bekannten Informationen werden als Thema bezeichnet, das, was als zusätzliche Information erscheint, als Rhema. Bei der Thema-Rhema-Progression handelt es sich in erster Linie um die Informationsverteilung innerhalb von Sätzen. In dem Sinn haben wir es nicht so sehr mit einem Textphänomen, sondern mit einem Satzphänomen zu tun. Doch diese Erscheinung lässt sich auch auf ein Textganzes übertragen.

 
Die theoretischen Erläuterungen orientieren sich an:
Blüml, Klarl (1992). Textgrammatik für die Schule. Zu einem umstrittenen Kapitel der neuen Deutschlehrpläne. Wien: Bundesverlag. Und: Nussbaumer, Markus (1991). Was Texte sind und wie sie sein sollen. Ansätze zu einer sprachwissenschafltichen Begründung eines Kriterienrasters zur Beurteilung von schriftlichen Schülertexten. Tübingen: Max Niemeyer Verlag. (= Reihe Germanistische Lingusitik; Bd. 119)

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