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Lösungsvorschlag 1

Wörter in eine Ordnung bringen und semantische Merkmale bestimmen

Gegeben sind die folgenden Wörter:

Meer, See, Strom, Fluss, Bach, Kanal, Stausee, Weiher, Teich, Ozean, Rinnsal.

Eindeutig bestimmen lässt sich das semantische Merkmal, das für alle Wörter zutrifft und das der Oberbegriff ist: Gewässer.

Sinnvollerweise lassen sich sich folgende semantische Merkmale aufführen, die entsprechende Wortgruppen und Oberbegriffe zur Folge haben:

  • Fliessgewässer - stehendes Gewässer (+/- fliessend)
  • künstliches Gewässer - natürliches Gewässer (+/- natürlich)
  • salziges Gewässer - nicht salziges Gewässer (+/- salzig)
  • grosses Gewässer - kleines Gewässer (+/- gross)

Je nachdem, welches semantische Merkmal man nun für eine Unterteilung hinzuzieht, ergibt sich ein anderer Strukturbaum. Das heisst, es gibt keine eindeutige Lösung. Man stellt aber bald fest, dass nicht alle semantischen Merkmale gleich gut geeignet sind, eine erste sinnvolle Unterteilung der Wörter zu machen.

Beginnt man zum Beispiel mit der Opposition [+/- gross], dann ergeben sich in einem ersten Schritt folgende beiden Gruppen:

gross [+ gross]
klein [- gross]
Meer
Bach
See Weiher
Strom
Teich
Fluss
Rinnsal
Ozean
 
Stausee (?)

Das Wort Kanal lässt sich aber nicht eindeutig einordnen. Es gibt sehr grosse Kanäle, aber auch kleine. Zudem ist bei den Wörtern Fluss und See/Stausee nicht immer so klar, ob sie nun gross oder klein sind, denn es gibt auch kleine Seen (z. B. gewisse Bergseen) oder auch kleine Flüsse. Grundsätzlich ist ein Fluss aber ein grösseres fliessendes Gewässer (vgl. Duden online) und ein See eine grössere Ansammlung von Wasser (vgl. Duden online). Die vorstehenden Ausführungen weisen aber darauf hin, dass das semantische Merkmal [+/- gross] für eine erste Unterscheidung nicht optimal ist.

Auch wenn man mit der Opposition [+/- künstlich] beginnt, ergeben sich Schwierigkeiten. Denn ein See kann sowohl künstlich als auch nicht künstlich sein. Ist er künstlich, dann ist es eben ein Stausee. Flüsse dagegen sind immer natürlich. Künstliche fliessende Gewässer heissen Kanäle.

Das semantische Merkmal [+/- salzig] scheint auf den ersten Blick eine klare Unterteilung zu ergeben:
Salzig sind das Meer und der Ozean. Die anderen Wörter sind Süssgewässer. Es ergibt sich aber ein Problem mit dem Wort See. Denn See gibt es als männliches Nomen (der See) und als weibliches Nomen (die See). Das weibliche Nomen "die See" ist ein Synonym für das Meer. Ohne Artikelkennzeichnung kann demnach das Wort "See" das Merkmal [+ salzig] oder [- salzig] enthalten.

Aufgrund vorheriger Überlegungen macht es am meisten Sinn, als erstes unterscheidendes semantisches Merkmal [+/- fliessend] zu nehmen. So ergeben sich folgende zwei Wortgruppen:

fliessendes Gewässer = [+fliessend] stehendes Gewässer = [- fliessend]
Strom Meer
Fluss
See
Bach
Stausee
Rinnsal
Weiher
Teich
Ozean
Kanal (?)

Aber Achtung: Beim Wort Kanal ist das Merkmal [+ fliessend] nicht so eindeutig. Denn ein Kanal ist grundsätzlich ein künstlicher Wasserlauf. Dieser fliesst in der Regel, muss es aber nicht. Zudem wird die Bezeichnung Kanal auch für natürliche Meeresstrassen verwendet und Meeresstrassen sind nicht fliessende Gewässer (dies weist nebenbei darauf hin, dass nicht jeder Kanal künstlich ist).

Als nächstes semantisches Merkmal sollte man eines auswählen, das sich noch auf beide Gruppen bezieht. Damit fällt [+/- salzig] weg, weil in der Regel fliessende Gewässer nicht salzig sind. Natürlich tragen fliessende Gewässer auch salzhaltige Elemente ins Meer oder es gibt Flüsse, die im Einflussbereich eines Meeres salzig sein können. Doch grundsätzlich ist ein Fluss nicht salzig im Sinn von "der Salzgehalt ist so hoch wie in einem Meer". Das Merkmal [+/- salzig] kommt demnach erst bei einer weiteren Unterscheidung von stehenden Gewässern zum Zuge. Mehr Sinn macht es, das Merkmal [+/- gross] als nächstes anzuwenden, weil davon alle Wörter betroffen sind. Die oben angesprochenen Schwierigkeiten mit den Wörtern Kanal, Fluss und See bleiben bestehen. Es ergibt sich folgende Unterteilung:

fliessendes Gewässer = [+fliessend] stehendes Gewässer = [- fliessend]
[+ gross] [+ gross]
Strom Meer
Fluss
See
Stausee
Ozean
[- gross = klein] [- gross = klein]
Bach Weiher
Rinnsal Teich
Kanal (?)

Da das Merkmal [+/- salzig] nur grosse stehende Gewässer betrifft, macht es mehr Sinn, als drittes unterscheidendes Merkmal [+/- künstlich] hinzuzuziehen, unter der Einschränkung, dass man nicht so klar sagen kann, ob ein Kanal nun ein grosses oder kleines fliessendes Gewässer ist. Dasselbe lässt sich auch bei den stehenden Gewässern in Bezug auf den Stausee sagen. Es ergibt sich folgende Unterteilung:

fliessendes Gewässer = [+fliessend] stehendes Gewässer = [- fliessend]
[+ gross] [+ gross]
[- künstlich = natürlich] [- künstlich = natürlich]
Strom Meer
Fluss
See
Ozean
[+ künstlich] [+ künstlich]
Kanal
Stausee
[- gross = klein] [- gross = klein]
Bach Weiher
Rinnsal Teich

Schliesslich lässt sich das unterscheidende Merkmal [+/- salzig] anwenden. Dieses betrifft nur grosse stehende Gewässer. Wir machen hier die Einschränkung, dass unter "See" das männliche Nomen "der See" gemeint ist (und nicht die See = Meer). Dann ergibt sich folgende Unterteilung:

fliessendes Gewässer = [+fliessend] stehendes Gewässer = [- fliessend]
[+ gross] [+ gross]
[- künstlich = natürlich] [- künstlich = natürlich]
  [+ salzig]
Strom Meer
Fluss
Ozean
  [- salzig]
See
[+ künstlich] [+ künstlich]
Kanal
Stausee
[- gross = klein] [- gross = klein]
Bach Weiher
Rinnsal Teich

Übersichtlicher lässt sich das Ganze in einem Strukturbaum darstellen:

Jetzt gibt es in einigen Untergruppen noch zwei Wörter. Durch was unterscheidet sich ein Strom von einem Fluss, ein Bach von einem Rinnsal, ein Meer von einem Ozean, ein Weiher von einem Teich?

Was ist der Unterschied zwischen diesen jeweiligen Wortpaaren? Untersuche das auf einem separaten Blatt Papier und vergleiche dann deine Lösung mit dem Lösungsvorschlag. Klicke dazu in der linken Navigationsleiste "Unterschied Wortpaare" an.

Für die Erläuterungen vergleiche auch: Schwarz, Monika; Chur, Jeannette (1993). Semantik. Ein Arbeitsbuch. Tübingen: Gunter Narr Verlag. S. 39.